Die Sonne war hinter die Gebirge von AntequeraEine Stadt in der Provinz Málaga, Andalusien. Wichtiger strategischer Punkt während der sog. Reconquista. gesunken, nur einzelne Bergspitzen schienen prachtvoll vergoldet, aber in den Thälern hatten sich finstere Schatten gelagert; am blauen spanischen Himmel funkelten die Sterne in ihrem ewigen Glanze, eine sanfte Kühle war der Hitze des Tages gefolgt, die Natur schien feiern zu wollen --- nicht so der Mensch. Um Granada'sLetzte maurische Hochburg auf der Iberischen Halbinsel. Die Belagerung und der Fall Granadas 1492 markierten das Ende der sog. Reconquista. Mauern und Wälle breitete sich ringsum das spanische Lager aus, selbst die Fluthen des sanft hinströmenden XenilAuch als Genil bekannt, ein Fluss in Südspanien, der durch Granada fließt. hatten der ehernen Kette, die sich um die Stadt immer enger und enger schloß, kein Hinderniß gelegt, über den Fluthen waren auf festen Fahrzeugen Brücken geschlagen, mit Geschütz und Kriegern dicht bedeckt. Weithin dehnte sich das Lager aus bis nach Santa=FeEine Stadt, die von den christlichen Königen während der Belagerung Granadas als Militärlager gegründet wurde., der neuen Stadt, welche das Bedürfniß eines zweijährigen Aufenthalts der Belagerer erbauen ließ. So weit das Auge reichte, sah man die Feuer der von der Tagesarbeit auf ihren Mänteln ausruhenden und im fröhlichen Gespräch begriffenen Krieger, aus den Zelten selbst ertönte hier und da die reine und kräftige Stimme eines Hauptmannes, eine Romanze singend, von den Klängen der Mandoline begleitet. Nur in Santa=Fe herrschte noch größere Lebhaftigkeit. Hier hatten an demselben Tage die gekrönten Häupter Aragoniens und Kastiliens ihren Einzug gehalten, Ferdinand und IsabelleFerdinand II. von Aragón und Isabella I. von Kastilien, die "Katholischen Könige", deren Heirat die Vereinigung der größten christlichen Königreiche der Iberischen Halbinsel einleitete., begrüßt von dem jubelnden Heere, begleitet von stolzen Granden und ernsten Priestern. Verdrängte auch das Leben im Kriegslager die Gesetze der spanischen Hofsitte, so war doch auch jedes erheiternde Spiel und der Frohsinn verbannt, denn der Kampf mit den Saracenen hatte nun neun Jahre gedauert, die Blüthe der spanischen Jugend war hingeopfert, die Schätze der Geistlichkeit fingen an spärlicher und mit Widerwillen gereicht zu werden, obgleich es ein Kampf für den heiligen Glauben war. — Daher war die Stirn des Königs mehr als früher umwölkt, und nur Isabelle blieb immer heiter, des Erfolges gewiß und ihres Strebens bewußt.
Aber dort in der geängstigten Stadt herrschte die Ruhe des Grabes, auf ihren Mauern sahen die Haufen der maurischen Soldaten in's Lager der Spanier voll Ingrimm und Wuth hinab, den Glanz des Halbmondes hatte in den vergangenen Tagen das Kreuz der Christen verdunkelt, und diese Schmach verbitterte noch die Entbehrung, welche der Mangel an Lebensmitteln den hart Bedrängten aufnöthigte. In den Straßen war es still, der Bazar leer, nur hier und da sah man einen Arzt, dessen schwarzer seidner Kaftan die jüdische Herkunft verrieth, und der von Dienern mit Fackeln gefolgt, die Pforten der Paläste suchte, wo der vornehme Verwundete noch der späten Hülfe erheischte. Doch auch hier in Granada war es die königliche Burg, in der eine regere, wenn auch mehr den Charakter der Bestürzung tragende Geschäftigkeit herrschte. Mohamet BoabdelinAuch bekannt als Boabdil oder Abu Abdullah Muhammad XII., der letzte nasridische Emir von Granada. hatte eben seine Heerführer entlassen, seine Brust hob sich noch wild bewegt von den Gefühlen, die sie bestürmte, der Verlust, den seine Mannschaft an diesem Tage erlitten, war bedeutend, aber mehr als die Tausende der Gefallenen schmerzte ihn der Tod AlmansorsMöglicherweise eine Anspielung auf den historischen Al-Mansur, einen berühmten muslimischen Feldherrn., des Gefährten seiner rüstigen Jugend. Welcher Anblick hatte sich bei der Heimkehr vom heutigen Ausfalle den Augen des Monarchen dargeboten! Das prächtige Granada war zur Einöde geworden, in Trümmern gefallene Paläste, Schutthaufen verbrannter Gebäude, auf den öffentlichen Plätzen die in solcher Noth verachtete Habe aufgethürmt! Um ihn hatten sich die in Lumpen gehüllten und Gespenstern gleichenden Stadtbewohner gedrängt und ihn um Brod angeschrieen, klagende Weiber, weinende Kinder umringten die Krieger, und ihr Weheruf drohte jeden Funken des Muthes in den blassen Kriegern zu erlöschen. Eine traurige Ahnung hatte das Gemüth des zwanzigsten Herrschers von Granada ergriffen, das verödete Granada war das Ueberbleibsel des Ruhms von mehr als neun Jahrhunderten; sein Unmuth brach gegen den Großvezier aus, dem er den Verlust des Hauptwalles in harten Worten zuschrieb. Jetzt suchten auf dem vergoldeten Divan die Glieder Erholung, das Herz war stürmisch aufgeregt, denn den niederdrückenden Gram über den Verlust der Herrlichkeit und den Verlust des Freundes verdrängte der Durst nach Rache an den Ungläubigen.
Da stürzte Alharez ins Gemach. „Verzeihe, Herrscher der Gläubigen, eine wichtige Nachricht! Der christliche König ist mit seiner Gemahlin im Lager angekommen.“
Woher die Kunde? — „Ein von den Vorposten aufgefangener Jude, von GuadixEine Stadt in der Provinz Granada, die während der sog. Reconquista eine wichtige Rolle spielte. kommend, hat es ausgesagt. Das von unsern Mauern bemerkbare Gedränge in Santa=Fe bestätigt es."
Wo ist der Großvezier? fragte der König rasch.
„Er beweint im Vorsaale meines Fürsten Ungnade.“
Er komme eiligst herbei.
„Vezier, rief dem eintretenden Abdallah der König zu, noch heute einen Ausfall!“
Wie betäubt stand Abdallah da. „Vezier, noch heute einen Ausfall!“ rief ihm wiederholt und noch heftiger Boabdelin zu.
„Mein königlicher Herr!“ erwiederte gefaßt der Vezier, „mein Leben gehört dir und dem Glauben des Propheten, aber dein Leben ist der einzige Trost deiner geängsteten Unterthanen. Keinen Ausfall, mein König! wollen wir die erlittene Niederlage durch eine neue unverbesserlich machen? Der Soldat ist ermüdet, erschüttert, die erfolglose Anstrengung des heutigen Tages macht ihn der Ruhe bedürftig; der Spanier ist siegestrunken und von der Nähe seines Königs begeistert.“
„Bin ich nicht auch König? lieben mich meine Krieger nicht? zögert der Maure, wenn er seine Hand in spanisches Blut tauchen kann? Großvezier, in einer halben Stunde stehe die Mannschaft bereit!“
Schweigend aber schnell entfernte sich der Heerführer. Und es währte keine halbe Stunde, so waren die Fenster in den Straßen erleuchtet, die Truppen auf den Plätzen gesammelt, Boabdelin bestieg das schwarze arabische Roß, die Thore öffneten sich und still wie zu einem Leichenzuge zog die Schaar der Krieger hinaus. Wie eine Heerde Tiger fielen die Moslemin auf das Lager der Spanier; obgleich diese die Tücke des Feindes im langen Kampfe kennen gelernt hatten, so erwarteten sie doch heute keinen Ausfall mehr von den geschwächten und gedemüthigten Belagerten. Da erscholl das Wirbeln der Trommel, das Feldgeschrei der Söhne des Ostens: Allah! Allah! das Geklirre der DamascenerklingenSchwerter aus Damaskus, bekannt für ihre Qualität und Schärfe. und das Lärmen des Geschützes durch die Nacht, daß es von den hohen AlpuxaresAuch als Alpujarras bekannt, eine Bergregion südlich von Granada. wiederhallte. Doch bald hatten auch die Spanier sich gesammelt, das Kreuz des Erlösers funkelte, von Mönchen getragen, von Santa=Fe strömte die Menge herbei, und es vermischte sich das Wimmern der Sterbenden und Seufzen der Geschlagenen mit dem Kriegsgeschrei. Ueber den Bergen war der Mond in seiner Klarheit aufgegangen und beleuchtete die Scene, wo Menschen Menschen würgten, die Fluthen des Xenil trugen das Blut der Erschlagenen zum Strome des QuadalquivirEiner der Hauptflüsse Andalusiens, der durch Córdoba und Sevilla fließt.. Boabdelin hatte sich nicht geirrt, das Willkommen, welches er dem christlichen Monarchen brachte, war ein fürchterliches, und wenn gleich nach einem sechsstündigen hartnäckigen Kampfe die Saracenen zur Stadt zurückkehrten, so hatten sie doch die Schmach des Tages gerächt und den Muth von Neuem belebt.