Im Archipel des jonischen MeeresTeil des Mittelmeers zwischen der Westküste Griechenlands und dem südlichen Italien. liegt die Insel CorfuKorfu (Kerkyra), griechische Insel im Ionischen Meer, die zu verschiedenen Zeiten unter venezianischer, französischer und britischer Herrschaft stand, bevor sie 1864 Teil Griechenlands wurde.. — Der Frühling hatte begonnen und zahlreiche Schwärme von Störchen und Schwalben kündeten ihn an, Lawinen rollten von den Wänden der Gebirge herab und der schmelzende Schnee schwellte die Waldströme an, Die Ufer der Bäche bedeckten sich mit Blumen, der OleanderImmergrüner Strauch mit rosafarbenen oder weißen Blüten, der im Mittelmeerraum heimisch ist. entfaltete sein zierliches Laub, und majestätisch erhob sich die Lilie an der klar fließenden Quelle. So hallten auch die Wälder von melodischen Tönen wieder, AccacieAkazie, eine Pflanzengattung aus der Familie der Hülsenfrüchtler., GeiskleeEine Pflanzengattung aus der Familie der Hülsenfrüchtler, die im Mittelmeerraum verbreitet ist. und Rosen hauchten balsamische Düfte aus. Die Biene verläßt die Höhle der Eiche, wo sie ihren Honig heimlich niedergelegt hat, um mit der Morgenröthe den Saft frischer Blumen zu saugen und den TerpentinbaumEin im Mittelmeerraum heimischer Baum, der das Terpentinharz liefert., die PlataneLaubbaum, der im Mittelmeerraum weit verbreitet ist und bis zu 30 Meter hoch werden kann. und den Feigenbaum zu umschwärmen. Die Küstenbewohner besserten ihre Netze aus und setzten ihre Fischerboote in Stand, und der Landmann entließ seine Heerden, um sie unter Jasmin und Hollunder in den von der EuphorbiaEine Pflanzengattung mit über 2000 Arten, auch als Wolfsmilch bekannt., Myrthe und AbsintheWermut, eine Pflanze, die zur Herstellung des gleichnamigen alkoholischen Getränks verwendet wird. aromatisch duftenden Wiesen zu weiden. —

Nicht weit von der Küste stehen einzelne Häuser, seit Jahren bewohnt von Familien, welche, aus fernen Landen angekommen, die friedsamen Einwohner unter sich gern duldeten. Die fremden Männer unterwiesen den Landmann in mancher Wissenschaft, die er früher nicht kannte, so daß sich seine Heerden vermehren und die Felder doppelten Ertrag bringen. Es war eine Gemeinde der spanischen Israeliten, die sich hier angesiedelt hatte. Vor Allen zog die Aufmerksamkeit auf sich der, den die Gemeinde selbst als den Vornehmsten verehrte, der Mann, vielerfahren im Gesetze und in erpri[…] Lebensweisheit, der Abkömmling David'sKönig David, bedeutende Figur im Tanach (Hebräische Bibel), der als Symbol für Führerschaft, Tapferkeit und Gottvertrauen gilt. Die Familie Abarbanel führte ihren Stammbaum auf das Haus David zurück., aus dem Hause BethlehemStadt in Judäa, aus der laut biblischer Überlieferung König David stammte und die später als Geburtsort Jesu bekannt wurde. Hier als Verweis auf die angebliche königliche Abstammung Abarbanels., vertrieben von Portugal nach Spanien, von Spanien nach Neapel, von da nach Messina, von Messina nach Corfu — Don Isaak AbarbanelDon Isaak Abarbanel (1437-1508), jüdischer Staatsmann, Philosoph und Bibelkommentator, der nach der Vertreibung der Juden aus Spanien 1492 über verschiedene Stationen schließlich auf Korfu Zuflucht gefunden hat.. Aber das Haar des Scheitels war grau geworden, die hohe Gestalt fing an unter der Last des Lebens sich zu beugen, denn er konnte sagen, wie sein großer Ahnherr über Israel sang:

Sie haben mich gedrängt von meiner Jugend auf,
Doch überwältigt haben sie mich nicht.
Auf meinem Rücken haben sie gepflügt,
Und ihre Furchen lang gezogen...

Und die treue Gefährtin der Verbannung, DinahDie jüdische Frau, die von Arama beschützt wurde und nach dem Tod ihres Geliebten Alonzo in der Schlacht von Fornovo nun bei Abarbanel auf Korfu lebt., stand ihm noch immer zur Seite. Zum dritten Male übte sie kindliche Pflicht und erfüllte das schöne Gebot des Gesetzes. Der Sturm der Leidenschaft war aus der keuschen Brust gewichen, sie hatte ihn überstanden. Was sie Theures und Liebes gehabt hatte, verbarg der Schooß der Erde, die Mutter am Ufer des RheinesFluss in Westeuropa, der durch die Schweiz, Deutschland, Frankreich und die Niederlande fließt. Hier wird angedeutet, dass Dinahs Mutter in Deutschland begraben liegt., den Vater unter den Orangen am XenilVermutlich der Fluss Genil (Xenil in älterer Schreibweise), ein Nebenfluss des Guadalquivir in Andalusien, Spanien, der durch Granada fließt., AramaJüdischer Arzt und Beschützer von Dinah, der in den Kerkern der Inquisition starb. an den SerpentinsteinbrüchenBrüche für Serpentingestein, ein metamorphes Gestein, das für Grabmäler und Denkmäler verwendet wurde., den Geliebten an des Taro'sFluss in Norditalien, an dem 1495 die Schlacht von Fornovo stattfand, in der Alonzo den Tod fand. blutigem Gefilde. Einmal hat das Herz ausgerungen, und hat es mit Gott gerungen, und hat es mit Gott überstanden, so ruhet es auch in Gott und im Frieden Jehovah'sJehovah (oder Jahwe) ist der Eigenname Gottes in der hebräischen Bibel, der aus Ehrfurcht oft nicht ausgesprochen wird und durch Umschreibungen wie "der Ewige", "der Name" oder "der Herr" ersetzt wird.. Vom Anbruch des Tages, wann die Sonne ihren ersten Strahl von Jonien'sIonien, eine antike Landschaft an der Westküste Kleinasiens (heute Türkei), bekannt für ihre griechischen Kolonien und kulturelle Bedeutung. Küste in's freundliche Gemach warf, bis zur stillen Dämmerungsstunde, lebte sie dem verbannten Weisen. Dann hauchte sie die Gefühle des Andenkens in zarten Gesängen aus auf dem Rasen unter CytisusgesträuchenPflanzen der Gattung Cytisus, zu der der Goldregen gehört, mit charakteristischen gelben Blüten., und andächtig lauschte Abarbanel den weichen Tönen. Oft auch am Tage, wenn er vom Nachdenken über sein Schicksal und vom Forschen im Worte des Herrn ermüdet war, war es Dinah's herrliches Saitenspiel, das ihn erquickte, und wenn die Weissagung des prophetischen Adlers Israels, Jesaia's ben AmozJesaja, Sohn des Amoz, einer der bedeutendsten Propheten der Hebräischen Bibel, dessen Visionen von Erlösung und messianischer Hoffnung in Zeiten der Not besonders wichtig für die jüdische Tradition wurden., das großmüthige Herz bis zur Begeisterung entflammt hatten, so führte ihn das castilischeKastilisch, ein Dialekt des Spanischen, der in der Region Kastilien gesprochen wird und zur Grundlage der modernen spanischen Standardsprache wurde. Lied in das Land seiner Jugend zurück, oder der Klaggesang der spätern Dichter seiner Nation über den Untergang Zion'sUrsprünglich ein Hügel in Jerusalem, später ein Synonym für Jerusalem selbst und in der jüdischen Tradition ein Symbol für das verheißene Land und die spirituelle Heimat des jüdischen Volkes. lockten Thränen in ihm hervor. So schauete der verbannte MarannoAuch "Marrane" genannt, bezeichnet einen zum Christentum konvertierten Juden und seine Nachkommen in Spanien und Portugal, die oft heimlich ihre jüdischen Bräuche weiter praktizierten. Hier auf Abarbanel bezogen, der zwar kein konvertierter Jude war, aber das Schicksal der Vertreibung mit ihnen teilte. nach Osten und nach Westen, dort vertrieben, hier vertrieben, dort Ruinen seines Tempels auf Palästina'sHistorische Region im Nahen Osten, die als das Land Israel und als Heiliges Land für Juden, Christen und Muslime gilt. Boden, hier Trümmer seines häuslichen Glückes in Iberien'sLiterarischer und historischer Name für die Iberische Halbinsel, auf der Spanien und Portugal liegen. Thälern,

„Wer giebt mir die Flügel der Taube,
Daß ich fliege und vom Kummer ausruhe!"

Später SabbathsabendDer Abend des Sabbat, der im Judentum am Freitagabend bei Sonnenuntergang beginnt und am Samstagabend nach Einbruch der Dunkelheit endet. war heute in Abarbanel's Hause, Sabbathsruhe im Gemache, Sabbathsruhe im Gemüthe. Er schlummerte im DivanGepolstertes Sitzmöbel ohne Rückenlehne, hier als Ruhestätte verwendet., im festlichen Kleide saß Dinah neben ihm auf einem TabouretKleiner Hocker oder niedriger Stuhl ohne Lehne. und stützte ihr Haupt in der Hand. Da klopfte es leise und hereintrat im Pilgergewand ein Mann in der Mitte des Lebens. Er schauete im Zimmer umher und erkannte Dinah, und weinte laut, als er den schlummernden Greis erblickte. Da bedeckte er sein Gesicht mit seinen Händen. In dem Augenblick erwachte Abarbanel. Er richtete sich auf und maß mit seinem Blick den Fremdling. „Wer seid Ihr, fremder Mann, und was ist Euer Begehr? fragte er verwundert.

Da stürzte der Fremde hervor. „Ich bin Euer Sohn, Euer JehudahSohn von Don Isaak Abarbanel, der in Spanien verschwunden war und in einem geheimen Netzwerk von Marannen lebte (wie in Kapitel 31 enthüllt). Er hat nun den Weg zu seinem Vater nach Korfu gefunden.. Vater, kennt ihr die Stimme Eures Kindes nicht mehr?" Der Vater breitete die Arme entgegen und der Sohn liegt am frommen Herzen. Thränen, Thränen der Wehmuth und der Freude fließen lange, lange. Dinah war auf die Kniee gesunken und betete. Gelobt sei mein Herr, der die Gefangenen befreiet, die Gefesselten erlöset und die Demuth aufrichtet. Ihm ist die Größe, die Macht und die Herrlichkeit, immerdar!