Während die Krieger den sich häufenden und verzweiflungsvollen Ausfällen der Mauren zu widerstehen und die täglich zerstörten Schanzen wieder von neuem zu errichten hatten, hörte man außerhalb des Lagers vor den Thoren von Santa=Fe das Hämmern und Lärmen der Zimmerleute zur Errichtung eines haushohen Gerüstes. Balkenwerk wurde kreuzweise über einander gelegt, die Lücken mit Stroh und Heu verstopft, eine Mauer von Backsteinen um das Gerüste gezogen. Von Madeira und Xeres erhitzt, von Mönchen und Priestern angefeuert, arbeiteten die Leute, als gelte es einem Könige den Thron zu erbauen, und weithin klangen die Lieder der Fröhlichen. Die vom Kampfe abgelöseten Soldaten wanderten Arm in Arm hin und sahen von der Ferne ehrfurchtsvoll den befehlenden Priestern zu, aus der Umgegend hatte sich Volk versammelt, das bereitwillig den Bauenden Hülfe leistete und geschäftig die von der Sonne getrockneten Hölzer von den nahen Gebirgen herbeitrug. Die Sonne schien so glühend in das Bauwerk hinein, daß man glauben konnte, es wäre ihr Strahl allein im Stande es anzuzünden. Um die Mauer ein Graben, um den Graben eine eiserne Kette, nur der Eingang blieb frei. War dies ein Werk zur Beängstigung der Belagerten? Nein! das Gebälk war bestimmt, in Feuer aufzugehen, das Thor bestimmt, mehr als tausend unglückliche Marannos einzulassen, die nie wieder daraus zurückkehren, deren Gebeine zu Asche verbrannt werden sollten. Das war der Tempel, den man hier zu Ehren des Wesens errichtete, welches die Menschen Gott ihren Vater nennen, der Holzstoß der Altar, wo man ihm die Opfer darbringen wollte. Aber das ist das Holz und der Stein, wo ist das Lamm zum Ganzenopfer?

Sehet der Wagen langen Zug, der sich unter dem Zulauf des Volkes von Sevilla herbewegt; auf denselben mit schweren Fesseln belastete Greise mit langem weißem Silberhaar und grauen Bärten, mit blinzenden Augen und hoher Stirn, mit ängstlich lauschenden Blicken. Und hinterher werden Männer, Weiber und Kinder vorwärts getrieben, wie die Heerden der Merinos, von rohen Lanzenknechten. Die Unglücklichen! hier laut heulend, hier still weinend, dort die Lippen voll Ingrimm krampfhaft schließend, dort um einen Trunk Wasser flehend. Was soll das Getümmel an jenem Ende? dort fließt Blut! Ein Vater hat dem Knechte die Lanze entrissen, Sohn, Mutter und Säugling, den Verfolger und dann sich selbst durchbohrt....

„Es lebe Gott, Tod den Marannos!".. „Lobet Jehovah, denn ewig währt seine Güte!" Das ist der schaurige Wechselgesang, den man höret. — Vor den Thoren Santa=Fe's, vor dem Lager der Spanier, vor dem erbauten Scheiterhaufen sind sie angekommen. Aber die Sonne geht unter, die Nacht breitet ihren schwarzen Schleier aus, droben funkeln die Sterne, Planeten kreisen ihre ewigen Bahnen, ihren Sphärengesang unterbrechen keines sterblichen Königs Befehle, sie kreisen und rollen in himmlischem Tanze, keines Herrschers Macht erreicht sie. Tauche unter, Sonne, erscheine den Bewohnern der unbekannten Erdhälfte, noch leben sie ruhig und harmlos, bald, bald wird auch ihr Glück zerstört, ihr Frieden gewichen sein, denn das Verhängniß naht.

Der Tag bricht an, eine unabsehbare Menge steht vor dem Lager, in glänzender Rüstung die Krieger, Mönche mit dem heiligen Kreuze, mit geweihten Hostien, mit klingender Monstranz. Auf den Mauern Granada's haben sich gaffende Volkshaufen versammelt. Ringsum erhebt sich ein Amphitheater, gedrängt von Menschen, die freudigen Blickes des Schauspieles harren: selbst der König ist da, vom Vivatruf des Volkes begrüßt, sieht er vom Balkon des Palastes herab. Torquemada besteigt eine Tribüne, er spricht, rings umher herrscht Stille. Er hält den Unglücklichen ihre Sünden vor, um mit wohlerwogenen Worten das Mitleid aus den Herzen der umstehenden Gläubigen zu verscheuchen, sie haben die Gnade, die ihnen durch die Aufnahme in den Schooß der christlichen Kirche verliehen wurde, freventlich verscherzt durch das Verharren im sündhaften Streben. Noch einmal ermahnt er sie, durch reuige Bekehrung vor dem Tode die ewige Verdammniß von sich abzuwenden – und auf einen Wink entzündet sich der colossale Holzstoß. Da wirbelt auf die mächtige Flammensäule zum klaren Himmel, aus den geöffneten Pforten steigt der Rauch und zieht die Gluth wie aus Schmiedesesse. Unter den gebundenen vorwärts getriebenen Schlachtopfern ertönet ein lautes Hosianah, mit feierlichen Dankespsalmen im Munde schreiten sie dem Höllenpfuhle entgegen, Väter ergreifen ihre Söhnlein, Mütter die Säuglinge und springen vereint in die Gluthen, andere flehen um Gnade, betheuern ihre Bekehrung, aber der Soldaten Befehle und die gezückten Schwerter stoßen sie vorwärts, Jünglinge werden wüthend vor Verzweiflung und fallen unter den Schwertern, ihre Körper werden nachgeworfen. Eine grause halbe Stunde vergeht, das Klaggeschrei und das Stöhnen der Sterbenden hat längst aufgehört — aber die Flamme lodert noch und das Hohngelächter der Menge und der Freuderuf des verblendeten Volkes wird noch gehört bis Asche die Gebeine bedeckt und die Monstranz zum Gebet, die Abendglocke zur Ruhe ruft.