Gonzago Campanton, der BenedictinermönchEin katholischer Mönchsorden, gegründet von Benedikt von Nursia im 6. Jahrhundert., war zu SevillaStadt in Südspanien, Hauptstadt von Andalusien. im Jahre 1444 von jüdischen Eltern geboren. Sein Vater war Synagogendiener der Gemeinde alldort, früher reich und angesehen, aber durch Unglücksfälle seines Vermögens verlustig, so daß er nur mit Widerwillen sich dem untergeordneten Dienste in der Gemeinde unterzog. Mit Neid und Sehnsucht sah er auf die reichern Glaubensgenossen, neben denen er vormals geglänzt hatte, und barsch und lieblos behandelte er die Armen, für deren Verpflegung er sorgen sollte; gegen jene war er zu stolz, um die allerdings demüthigende Stellung seines Amtes zu bewahren, gegen diese erschien er mit dem kränkenden Uebermuthe des früher vornehmen Mannes. Aus beiderlei Gründen mußte ihm sein Betragen Feinde zuziehen, und es fehlte nicht an Klagen und Verweisen, die die Bitterkeit Campantons noch mehr reizten, und deren Verdrüßlichkeiten er seinem tugendhaften Weibe entgelten ließ. Wehe dem Menschen, der nicht geistige Bildung und Seelengröße in's Unglück hinüberträgt, Armuth wird dann die Mutter eines größern Uebels, der Schlechtigkeit des Gemüthes. Diese Verhältnisse hatten Einfluß auf die Erziehung Gonzago's, des einzigen Sohnes. Der Stolz des Vaters hielt ihn von der Gemeinschaft mit seinen jüngern Glaubensgenossen zurück, mit den Gemeinern verbot ihm der Vater den Umgang, mit den Vornehmern war er dem Knaben versagt. So wuchs er heran ohne Gespielen und ohne Freuden der Kindheit, die das Element dieses Lebensalters sind, und mit ihrem Blüthendufte noch den Mann und Greis erquicken. Im Hause überhäufte ihn der Vater mit Vorwürfen, weil er nicht beharrlich genug in den Studien war, denn Campanton hatte seine Hoffnung auf diesen Sohn gesetzt. Da er ihm keine Glücksgüter mitgeben konnte, so wollte er ihn zum Ungeheuer der Gelehrsamkeit machen, und in den Strahlen des einstigen Ruhmes seines einzigen Sohnes sein eigenes Alter sonnen. Seine Phantasie malte sich mit glühenden Farben den Moment aus, wo er dem Mammon der Reicheren den Ruhm seines von Christen, Juden und Mauren geachteten Sohnes entgegenhalten konnte. Auch versprachen die Geistesgaben dieses Sohnes die tüchtigsten Leistungen, nur daß sie von den Stacheln des väterlichen Ehrgeizes gereizt, zu früh über das rechte Ziel hinauseilten, und so geschah es, daß die erworbene Wissenschaft mehr die trockene Nahrung der Leidenschaft wurde, als die erwärmende Flamme des jugendlichen Gemüthes, genährt von dem heiligen Oele der Weisheit. Gonzago lernte viel; in seinem vierzehnten Jahre verstand er nicht allein, sondern wußte aus wendig die heilige Schrift und sämmtliche talmudische Schriften, aber ihre Lehren lagen in dem Boden seines Gedächtnisses, und drangen nicht in die Kammern des Herzens ein; er war bewandert im mathematischen und astronomischen Wissen, zu jener Zeit mit desto größerem Eifer betrieben, je mehr sich den kühnen Seefahrern der Portugiesen und Spanier neue Welten eröffneten; aber der Glanz der Sterne traf nur das Auge und drang nicht in die Seele, um die Funken eines über die Erde und ihre Gebrechen erhabenen Gefühls zu erzeugen; er kannte endlich die Sprachen der Griechen, Römer und Araber, aber die Größe der alten Welt, und die Ruhe und Abgeschlossenheit, die in den Werken der Vorzeit liegt, hatten keinen Einfluß auf Gonzago's Charakterbildung, und reinigten ihn nicht vom Staube, den die kleinlichen Bestrebungen seiner Umgebung auf sein geistiges Wesen geworfen hatten. Was Wunder, daß ihn die Wissenschaft endlich anekelte, und daß, als in der Blüthezeit des Lebens die Leidenschaften mit ihren Stürmen auf ihn einbrachen, er ihnen keine erprobten Waffen entgegenzuhalten vermochte. Er hatte das achtzehnte Lebensjahr zurückgelegt, als er von CordovaStadt in Andalusien, Südspanien, bedeutendes kulturelles Zentrum im mittelalterlichen Spanien., wo er sich zum Gelehrten ausgebildet hatte, zurückkehrte; er sah die Tochter eines reichen Juden, Estrella Bebenäste, und liebte sie mit allem Feuer seines leidenschaftlichen Herzens. Mit Ungeduld erwartete er noch die Zeit, wo ihm die höchsten rabbinischen Würden zu Theil werden sollten, um das Gewicht derselben in die Goldwage des Bebenäste zu werfen, und von ihm die Hand seiner Tochter zu erlangen. Der Augenblick kam, von mehrern bedeutenden Schulen erhielt Gonzago zugleich Titel und Würden, Campanton sah triumphirend auf die Reichen der Gemeinde, deren Söhne im Strudel der Welt Glück und Ehre verloren; sein Hochmuth ward noch größer und unerträglicher, da der Glanz seines Sohnes nicht die Dunkelheit seines Standes auslöschte. Estrella's Besitz wurde Gonzago verweigert, nicht wegen feiner Armuth, — denn diese würde der reiche Bebenäste übersehen haben, da die Ehre eines Rabbinen in zu hoher Achtung stand, als daß nicht der reichste Jude eine Verbindung seiner Tochter mit ihm als ein großes Glück für die ganze Familie angesehen hätte, — aber Bebenäste fürchtete die Verschwägerung mit dem ränkevollen Campanton, und Gonzago selbst besaß, trotz seiner Gelehrsamkeit, kein Zutrauen, weil ihm die sanften Eigenschaften des Herzens fehlten, wodurch allein die Menge gefesselt werden kann. Jetzt loderte die Flamme der Begier wild in seiner Brust auf, er fluchte seiner Geburt, er haßte sein Volk, er schmähete seinen Vater, und würde schon jetzt ihn verlassen haben, wenn ihn nicht die Mutter noch zurückhielt, die allein noch etwas über das verwilderte Gemüth des Vielwissers vermochte. Aber die beständigen Zerwürfnisse seines Vaters mit der Gemeinde zwangen diesen endlich, seine Stelle niederzulegen; er versuchte es wieder mit dem Kleinhandel und Wucher, aber das Alter hatte ihm die Rüstigkeit genommen, um es den Jüngern zuvorzuthun, und die schrecklichste Armuth drückte die Familie zu Boden. Da hörte Gonzago, daß ein naher Verwandter der Mutter, Namens Gaon, groß und reich geworden wäre; er wohnte in VittoriaEine Stadt im Baskenland, Nordspanien., hatte die Einkünfte der Krone gepachtet und betrieb die Einnahme des pedidoEine Art Steuer im mittelalterlichen Spanien.. Zu ihm reiste Gonzago, von ihm verlangte er Beförderung, von ihm Hülfe für den verarmten Vater, für die im Leiden erblindete Mutter. Aber Gaon schämte sich der armen Anverwandten, mit harten Worten wies er ihn zurück und wollte die Familie nicht kennen. Da irrte Gonzago in der reichen Stadt umher und sah das geschäftige Leben um sich, nur er war verlassen, verhöhnt, verstoßen. Das Leben war ihm eine Bürde, aller Zierden beraubt, gekränkter Ehrgeiz, zurückgewiesene Liebe wurden die Furien, die die Geister der Verzweiflung und der Rache in ihm anregten. Er steht auf einer Brücke und will sich in die Fluthen stürzen, da hört er ein Getümmel auf dem nahen Markte, ein Mönch predigt heftig gegen die Juden, er malte dem Volke ihr verruchtes Leben, er forderte sie zur Rache gegen die Mörder des Heilandes auf, gegen die Bedrücker der Spanier, er erwähnte Gaons als Helfershelfers der Tyrannei. Bei diesem Namen stürzt Gonzago herbei, er ergreift das Crucifix, er schildert die harte Behandlung, die er von Gaon erlitten, er bekennt sich zum Glauben der Christen und empfängt unter dem Jubel der Menge die Taufe. Der Mönch giebt ihm den Bruderkuß, die Menge strömt nach dem Hause des verhaßten Einforderers des pedido, und der verstümmelte Leichnam des Unglücklichen wird vom Fenster auf die Straße geworfen, wo ihn der Pöbel in Stücke zerreißt und seinen Kopf auf der Lanze herumträgt. Vergebens, daß der König die Mörder bestraft und die Häuser der Aufrührer niederreißen läßt, man zwingt ihn zur Nachgiebigkeit und Gonzago Campanton wird vor jeder Verfolgung von dem mächtigen Arme der Kirche geschützt. Jetzt ist Vater und Mutter vergessen, er zieht mit den FranziskanernEin katholischer Bettelorden, gegründet von Franz von Assisi im 13. Jahrhundert. im Lande umher und predigt gegen die Juden, er sieht mit teuflischer Wonne ihr Blut fließen und führt die alten Rabbinen zum Scheiterhaufen. Aber vergebens wartet er auch jetzt auf Ehren und Würden, — mitten in seinen schauderhaften Reden trifft ihn der Hohn der Neugierigen über die jüdische Mundart. Die Begeisterung, die er für den neuen Glauben heuchelte, wurde kalt erwiedert, ja er wurde nicht selten Stichblatt des Witzes für die Mönche, und nur wenn es die Bluthetze der MarannosAbwertende Bezeichnung für zwangskonvertierte Juden, die im Geheimen ihre Religion weiter praktizierten. galt, war er Anführer, und wußte, mit allen äußern Zeichen des mosaischen Glaubens bekannt, die besten Mittel und Wege, die Ketzer ausfindig zu machen. — So wurde er der Schrecken und die Geißel der neuen Christen, die mit Gewalt zum Christenthum gezwungen, im Geheimen die Gebräuche ihrer alten Kirche hielten, und überfiel sie beim Begrüßen des Sabbaths, beim Opfer des PassahDas jüdische Pessachfest, das an den Auszug der Israeliten aus Ägypten erinnert., in den Kammern ihrer Gebete, bei der Unterweisung ihrer Söhne. Er selbst aber verfiel immer mehr und mehr in den Schlamm gemeiner Ausschweifungen, welche Körper= und Geisteskräfte verzehrten. Dem Wüthen dieses geistlichen Räuberhauptmannes ward endlich, nachdem Tausende von Opfern seiner Rache gefallen waren, von der Regierung Einhalt gethan, sie verwies ihn in ein Kloster. Hier verbrachte er sein Leben unter strenger Aufsicht eines tugendhaften Abtes, dessen Leben er lange Jahre durch Ränke verbitterte, bis er nach Granada versetzt wurde, und ihn die InquisitionEine kirchliche Institution zur Bekämpfung von Ketzerei, besonders aktiv in Spanien während dieser Zeit. von Neuem zum Werkzeuge ihrer Gräuelthaten machte. Der Prior des Benedictinerklosters, ein träger und nur von der niedrigsten Wollust angeregter Mensch, benutzte ihn zum Vermittler seiner Begierden. Er mußte für ihn die weiblichen Scheusale Granada's aufsuchen und sie seiner heimlichen, fleischlichen Lust zuführen. Der Prior hatte die reizende Jüdin im Hause Arama's bemerkt, er beobachtete sie täglich, und kein Opfer däuchte ihm zu gering, um die Reine in seine Gewalt zu bekommen. Gonzago konnte hier insbesondere als Spion gebraucht werden, er war ja mit den Sitten der Hebräer bekannt und ein neues Opfer seiner Rache war ihm willkommen. Wir wissen bereits, wie er den Arzt zum Prior berief, der im Gespräche mit Arama es bald einsah, daß dieser nicht der Mann sei, von ihm die Befriedigung seiner frechen Wünsche zu erlangen, listig genug aber den redseligen Arzt über seine häuslichen Verhältnisse ausforschte; wir wissen, wie Gonzago die hingeworfenen Worte Arama's wohl verstand. Sie reichten hin, um eine Anzeige bei der Inquisition zu machen, und da sie Alonzo's Besuche bemerkt hatten, und er selbst an jenem Abende vom Mönche mißtrauisch angesehen wurde, so suchte man, sein Verhältniß zu Dinah errathend, auch diesen der Ketzerei verdächtig zu machen. Man überfiel den unglücklichen Arama bei der Feier der Ostern und schleppte ihn in's Gefängniß, wo er mehrere Tage vergebens auf seine Vernehmung harrte, man suchte in derselben Nacht sich Alonzo's zu bemächtigen, aus dem sie durch verfängliche Fragen das Bekenntniß seiner Liebe für die Pflegetochter Arama's herauszulocken wußten. Er glaubte kein Verbrechen zu gestehen, wenn er die Art und Weise, wie er Dinah zum ersten Male sah, erzählte, ihren reinen Charakter und gebildeten Geist schilderte, da er für sie mehr als für sich fürchtete. Aber der Trug der Priester wußte aus allem diesem jene Anklage Arama's zusammenzureimen und den Verrath scheinbar vom edlen Alonzo ausgehen zu lassen. Der Prior und Gonzago hatten somit den Vater und Geliebten von Dinah entfernt, sie übernahmen die Sorge für das Seelenheil der Verlassenen, bewachten alle ihre Schritte, und nur Jehudah, der Sohn des mächtigen Abarbanel, stand ihnen noch im Wege. Doch hatten sie bereits im Geheimen Nachricht von den Verfügungen, die man gegen alle Juden Spaniens anzettelte, und so ersah der wollüstige Prior die Erfüllung seiner Wünsche in der nahen Verzweiflung der Jüdin. Alonzo's Gefängniß war bei weitem nicht so schauerlich, als Arama's Kerker, aber eine düstere Schwermuth ergriff ihn, der Gedanke an das Schicksal seiner Geliebten verließ ihn nicht, vergebens fragte er seine Wächter nach ihr, nach Arama, vergebens forschte er nach dem Grunde seiner Verhaftung.