Am Hofe Ferdinands und IsabellensFerdinand II. von Aragón (1452-1516) und Isabella I. von Kastilien (1451-1504), bekannt als die "Katholischen Könige", vereinigten durch ihre Heirat 1469 die spanischen Königreiche und beendeten 1492 die maurische Herrschaft in Spanien. zu MadridDie heutige Hauptstadt Spaniens, die zu dieser Zeit noch nicht der permanente Regierungssitz der spanischen Monarchie war. hörten die Festlichkeiten wegen des Sieges über die MaurenBezeichnung für die muslimischen Bewohner der Iberischen Halbinsel, die seit dem 8. Jahrhundert dort ansässig waren und deren Herrschaft 1492 mit der Eroberung Granadas endete. noch nicht auf. Zwar waren es nicht jene glänzenden Hoffeste, deren Verherrlichung, wie in den Ritterzeiten, gefährliche Spiele der Tapferkeit ausmachten, auch nicht die unserer Tage, wo die Kunst um die geistigere Gesellschaftlichkeit die Kränze der Heiterkeit windet. Die damalige Zeit sah mit dem doppelten JanusgesichteJanus ist der römische Gott der Schwellen, Anfänge und Übergänge, der mit zwei Gesichtern dargestellt wird, die in entgegengesetzte Richtungen blicken. Hier als Metapher für eine Epoche, die sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft blickt. in die alte und neue Welt hinein, und das Jahr 1492 war das große Abschiedsjahr des gesammten Mittelalters. Deswegen hatte sich in den Sitten und in der Gesellschaft die Färbung der frühern Zeit verwischt, aber sie hatten noch nicht den festen Charakter, den ihnen namentlich die Entdeckung eines neuen Welttheils und die Reformation des kühnen Augustinermönchs zu WittenbergBezieht sich auf Martin Luther (1483-1546), der 1517 seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg schlug und damit die protestantische Reformation einleitete. ertheilte. Uebrigens verträgt sich der spanische Nationalcharakter auch nicht mit den Aufwallungen der Freude, die von den Priestern niedergehalten, nur selten, und zwar auch dann nur bei geistlichen Festen, ausbricht. Prozessionen, Schaugepränge, Kirchenfeier waren die Gegenstände, die dem mönchischen Hofe Ferdinands und Isabellens Zerstreuung und Beschäftigung geben mußten. Sie waren es, wodurch man seiner Dankespflicht gegen Gott für den vollendeten Sieg der Christenheit über den IslamDie Religion der Muslime, die auf der Iberischen Halbinsel seit dem 8. Jahrhundert verbreitet war und mit der Eroberung Granadas 1492 ihre politische Macht in Spanien verlor. in Spanien am besten sich zu entledigen, und zugleich das Vertreiben müßiger Zeit am passendsten zu bewirken gedachte.
Aber noch war jener Sieg nicht vollständig, noch lebten die ältesten und hartnäckigsten Feinde des Glaubens, die Juden, noch hielten sie, obgleich gedrängt und verfolgt, das Haupt empor. So lange man ihrer sich nicht entledigt hatte, so lange war das Werk, Spanien zum katholischen Königreich Europa's zu machen, nur halb gethan. Waren sie auch durch die Bande des Blutes mit den größten Familien verknüpft, die es nicht scheuten, sich mit den reichen Juden zu verschwägern, — was kümmerte dies das nur an den heiligen Stuhl zu RomSitz des Papstes und Zentrum der römisch-katholischen Kirche. gebundene und keine andere Liebe als die der Herrschsucht kennende Mönchsthum! Waren sie auch die fleißigsten und betriebsamsten Einwohner des gesegneten Landes, — desto mehr waren sie der Stein des Anstoßes für die Priester, die nach dem alleinigen Besitz der Ländereien und des Eigenthumes trachteten. Jetzt war die Zeit reif. TorquemadaTomás de Torquemada (1420-1498), der erste Großinquisitor der spanischen Inquisition, bekannt für seine Härte bei der Verfolgung von Konvertiten und seine Unterstützung für die Vertreibung der Juden aus Spanien. übernahm es, den herrschsüchtigen und des Geldes nimmersatten König mit der Aussicht auf den großen Gewinn, der ihm durch Vertreibung der ganzen jüdischen Nation vom spanischen Boden werden könnte, zu bearbeiten, das Gewissen der Königin wurde durch ihren Beichtvater XimenesFrancisco Jiménez de Cisneros (1436-1517), Beichtvater der Königin Isabella und später Erzbischof von Toledo und Kardinal, der eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung der Inquisition in Spanien spielte. und den Pfaffen TalaveraHernando de Talavera (1428-1507), erster Erzbischof von Granada und zunächst Beichtvater der Königin Isabella, bevor Jiménez de Cisneros diese Position übernahm. eingeschüchtert: sie legten es ihr an's Herz, den Sieg des Christenthums durch die Entfernung der Juden zu vervollständigen, sie stellten ihr eben diesen Sieg über die alten Königreiche der Mauren als den göttlichen Fingerzeig dar, die Religion in ihrer Reinheit zu erhalten, sie malten die Greuel, welche von den Juden begangen würden, suchten die Papiere alter Prozesse hervor von Beschimpfung der HostieDie geweihte Oblate beim christlichen Abendmahl, die nach katholischem Glauben den Leib Christi darstellt. Den Juden wurde häufig vorgeworfen, sie würden Hostien schänden oder entweihen., Kreuzigung christlicher Kinder und Verachtung des Kreuzes.
Don AbarbanelDon Isaak Abarbanel (1437-1508), jüdischer Staatsmann, Philosoph und Bibelkommentator, der tatsächlich am Hof Ferdinands und Isabellas diente und sich nach dem Vertreibungsedikt von 1492 für seine Glaubensgenossen einsetzte. wußte von allem diesem nichts; jene Einflüsterungen schlauer Beichtväter waren den GrandenAngehörige des hohen spanischen Adels. des Hofes verborgen, wie sollten sie dem Juden zu Ohren kommen? Vielmehr schien sich Alles freundlich um ihn zu gestalten, Talavera unterhielt sich täglich mit ihm über die heiligen Bücher und Lehren, CisneroAndere Schreibweise für Jiménez de Cisneros. verlangte die Deutung bald dieses, bald jenes religiösen Artikels, sie lobten seinen Eifer im königlichen Dienste, sie schmeichelten ihm mit der Aussicht auf Belohnungen für sich und seine Familie, sie kamen seinen Wünschen und Verwendungen mit aller Aufmerksamkeit entgegen. Abarbanel ward heiter gestimmt, er träumte von den Tagen, wo durch ihn die Herzen von Millionen gebeugter Menschen erleichtert sein würden, er hoffte den Glanz der maurischen Zeit unter der Regierung katholischer Fürsten erneuert zu sehen. So erwiederte er die freundliche Begegnung mit tausend Gefälligkeiten, kein Opfer war ihm zu hoch, es der Freundschaft darzubringen.
Aber wie mit Einem Male nahm Alles eine andere Wendung, Mehr als je drängten sich die Pfaffen um die in ihren Kabinetten eingeschlossenen Herrscher, Abarbanel wurde mehrere Male von den Audienzen zurückgewiesen, obgleich die Geschäfte dringend und ernstlich waren. Kurz und abgebrochen war die Sprache der geheimnißvollen Höflinge, er fühlte die Schwüle der Gewitterluft um sich, und sie drückte die freien Athemzüge in die gepreßte Brust zurück, — aber noch sah er nicht die düstern Wolken. In sich gekehrt saß er in den Abendstunden auf seinem Zimmer und schauete in die blauen Wellen des MazanaresDer Manzanares ist ein Fluss, der durch Madrid fließt. Die Schreibweise "Mazanares" ist eine ältere oder alternative Form des Namens., der Frühling hatte sich über die blühende Landschaft gelagert; denn obgleich die Jahreszeiten, diese unsterblichen Schwestern, die Hand in Hand den Kreis des Jahres durchlaufen, hier keine so charakteristische Physiognomie wie in unsern Climaten haben, und Frühling und Winter sich innig umarmen, verkünden doch die knospenden Pappelzweige, das frischere Grün der Blätter des Orangenbaumes mit balsamischen Blüthen, die regere Ueppigkeit der Natur, welche die Einbildungskraft in Erstannen setzt und die Sinne in Entzücken, obgleich es vielleicht noch süßer ist, im Norden unter Dornenhecken das erste Veilchen zu finden und zu pflücken, um es der Geliebten zu bringen.
Abarbanel spann sich in eine innere Gedankenwelt ein, er ließ sein erfahrungsreiches Leben vor sich vorübergehen, düstere Ahnungen stiegen in seiner Seele empor, deren er vergebens Meister zu werden suchte. Da klopfte es etwas stark an der Thür und herein trat der HidalgoAngehöriger des niederen spanischen Adels. Franzisko Corduero, ein stattlicher Mann. Die erhabene Stirn, die schwarzen, glänzenden Augen, von starken Augenbrauen beschattet, der freundlich lächelnde Mund, lieblicher noch der kleine Streif des Schnurrbartes, die edle GrandezzaSpanischer Begriff für eine würdevolle, noble Haltung oder Ausstrahlung. in seiner Haltung, hätten beim ersten Anblick den Mann von geistiger Bildung bekundet, wenn dies auch nicht die sonore Stimme und der bezaubernde Wohlklang, mit dem er im kastilischenKastilisch ist ein Dialekt des Spanischen, der in der Region Kastilien gesprochen wird und zur Grundlage der modernen spanischen Standardsprache wurde. Dialekt seine Muttersprache redete, bestätigt hätten.
„Ihr verzeihet meinen unangenehmen Besuch, SennorSpanische Anrede für "Herr" (moderne Schreibweise: Señor)., ich freue mich, Euch allein und, was selten ist, unbeschäftigt zu finden."
Abarbanel war ihm höchst freundlich entgegen gekommen, er ergriff seine Hand und führte ihn an's Fenster. „Beschäftigt, edler Hidalgo, wenn auch nicht mit Büchern, doch mit Gedanken. Dennoch, — wer könnte mir je angenehmer sein, als Ihr?"
Corduero sah ihn forschend an. „Ich habe mich nicht getäuscht, wie ich glaube," sprach er fragend.
„Darf ich fragen, in welcher Beziehung?"
„Abarbanel, Ihr seid mein Freund, ich der Eurige; noch mehr bin ich Euch mit der heiligsten Dankbarkeit verpflichtet, Eurer Bemühung gelang es, mir meine Güter, nach denen elende Priester die hageren Finger ausstreckten, zu erhalten. Wißt Ihr nicht, was in Betreff Eurer Glaubensgenossen im Kabinette des Königs vorgeht?"
Abarbanel sah ihn verwundert an, seine Mienen verriethen aber auch den Schrecken, den ihm diese Frage verursachte. „Ich habe seit fünf Tagen den Hof nicht besucht, der Monarch versagte mir einige Male Audienz, weil ihn Geschäfte abhielten. Ich bin nicht gewohnt, mich meinen königlichen Gönnern aufzudrängen. Aber daß irgend etwas die Israeliten Betreffendes dort verhandelt wird, mag es Gutes oder Böses sein, weiß ich durchaus nicht. Mein Wort genüge Euch."
„Nun, dann habe ich mich eben nicht getäuscht. Abarbanel, Ihr schlummert an einem Abgrunde, worin Ihr und alle die Eurigen gestürzt werden sollen; die Vertreibung und Ausrottung der Juden wird im geistlichen Rathe des Königs verhandelt, ist vielleicht schon beschlossen. Ein geschwätziger Page der Königin, vielleicht den Beichtvater der frommen Frau behorchend, theilte es meinem Sohne, seinem Freunde, im Vertrauen mit."
„Geschwätz eines Knaben, edler Hidalgo," bemerkte Abarbanel flüchtig, aber er stützte sich, um seine Stellung zu behaupten, mit aller Macht auf seinen Degen.
„Wollte Gott, es wäre so, edler Freund, aber er war mit zu vielen Nebenumständen vertraut, mit einer Menge von Einzelnheiten, die schwerlich dem unwissenden Burschen inspirirt sein konnten. Er wußte, wie die Königin anfangs in den Vorschlag nicht eingehen wollte, wie sie namentlich Eure Verdienste, Abarbanel, herabsetzten, von den Fehlern und dem Leichtsinne Eures Sohnes in GranadaStadt im Süden Spaniens, die letzte Hauptstadt des maurischen Reiches auf der Iberischen Halbinsel, die 1492 von den christlichen Truppen erobert wurde. sprachen, und der Verleumdungen viele, wie sie nur dieser Priester Mund erheucheln kann, weil sie nur die Schandthaten auf dem schmutzigen Boden ihres eigenen Herzens aufzulesen und ihre verdorbene Seele zu schildern brauchen, um das Bild jedes rechtlichen Mannes mit den scheußlichsten Lumpen der Niedrigkeit zu behängen. O, diese Priester, Abarbanel, sie werden mein armes Vaterland zur Schädelstätte Europa's machen, unser Ruhm wird die Pforte zur Schande, der Kampf um die Freiheit des Glaubens der erste Akt der sklavischen Erniedrigung sein. Mit dem Niedertreten des großen Adels hat man angefangen, mit Eurer Vertreibung fährt man fort, um mit der Unterjochung der Hidalgo's und Bürger zu enden."
„Sie können es nicht wollen, Sennor, sie können es nicht."
„Don Abarbanel, nur der freie und edle Mann kann nicht Alles wollen und nicht Alles thun, der Schurke kann Alles. Ihr seid erfahren, Freund, Ihr erinnert Euch, wie man Euch am portugiesischen Hofe dankte. Noch ist es Zeit, fliehet, verlaßt dieses Land, Eures edeln Lebens willen, Freund, mit offenen Armen wird man Euch überall aufnehmen."
„Als ich vor Don JuanVermutlich João II. (1455-1495), König von Portugal, an dessen Hof Abarbanel zuvor gedient hatte, bevor er fliehen musste. floh," erwiederte Abarbanel ruhig und den Kopf auf die Brust senkend, „stellte man meiner Person und nur meiner Person nach. Jetzt will man an mein Volk, — ich trenne mein Schicksal nicht von seinem. Ferdinand wird mich hören, hörte er mich doch, als ich ihm die DublonenSpanische Goldmünze, benannt nach ihrer doppelten (span. "doble") Wertigkeit im Vergleich zu einfachen Goldmünzen. zum Kriege gegen die Mauren brachte. — Ich bekämpfte damals, als ich ihm gegen die IslamitenAnhänger des Islam; hier bezogen auf die Mauren in Spanien. Beistand leistete, mein Gefühl als Jude, um der Diener meines Königs zu sein, jetzt werde ich den Staatsmann verläugnen, um Jude zu sein."
„Euer Entschluß ist edel und meines Freundes Abarbanel würdig. Aber Ihr habt Kinder, Euer theuerster Sohn ist fern von Euch, Ihr ziehet diese in's Verderben, wer ergreift beim allgemeinen Schiffbruch nicht gern ein Brett, um vor dem Tode in den Wellen sich und die Seinigen zu retten?"
„Nicht der spanische Jude, Hidalgo, er geht mit unter."
„Ihr werdet so Alles verlieren, Freund, selbst das, wodurch Ihr Unzähligen der Verfolgten ein besseres Schicksal bereiten könnt."
„Alles verlieren — Alles verlieren, Hidalgo, was nennt Ihr Alles? Mein Geld meint Ihr, das ist das Alles des Juden. Denn freilich — (er sah durch's Fenster und blickte wehmüthig in die scheidenden Sonne) die lachende Flur ist nicht sein, der blühende Frühling, die reine Luft ist nicht sein. Aber auch nicht Euer, Hidalgo, Ihr befleckt den Boden mit dem Blute der Menschen, Ihr verpestet die Luft mit dem Hauche ihrer Verwünschungen, der Frühling trifft nur Eure alten Laster, er erneuert Euern Geist, er verjüngt Euer erhärtetes Gemüth nicht. Verliere ich das, was Ihr mein Alles nennt, so gewinne ich vielleicht an dem, was ich mein Alles nenne. Ich werde meine Brüder in's Elend begleiten, ich werde ihnen ein Beispiel männlicher Ertragung geben, Gott wird mich stärken, mit ihnen die Hefe des giftigen Trankes zu leeren, den Eure Monarchen und Priester uns im Kelche christlicher Liebe kredenzen."
Corduero schwieg bekümmert.
„Ihr zürnet," fuhr Abarbanel fort, „ob meiner vorwurfsvollen Reden, sie können meinen Freund nicht treffen, der mir so eben den Beweis seiner Treue gegeben, — ich danke Euch für Eure Winke, ich werde sie zu benutzen wissen."
Nach längerer Berathung trennten sie sich bekümmert. Abarbanel verbrachte die Nacht mit Arbeiten, er schrieb nach Granada und beschied seinen Sohn eiligst nach Madrid, er warnte die bedeutendsten spanischen Gemeinden und bat sie, auf ihrer Hut zu sein und bei Zeiten ihr liegendes Eigenthum zu Gelde zu machen, er gab ihnen Maßregeln an, wie sie sich bei dem einbrechenden Unglücke zu benehmen hätten. Alsdann durchsuchte er eine Menge alter Papiere, bezüglich auf die Geschichte der spanischen Juden, mit großer Geistesruhe; als gelte es Resultate für erheiternde Studien zu sammeln, durchblätterte er Folianten, und trat zuweilen, von der Arbeit ermüdet, an's Fenster, den balsamischen Duft einzuathmen und ein brünstiges Gebet zum Gotte seiner Väter zu richten.
Als der Morgen anbrach, fühlte er sich neu gestärkt, eine Ruhe hatte sein Gemüth erlangt, wie er sie noch nie, seitdem er Ferdinands Hof betreten, empfunden; er hatte mit sich abgeschlossen und war auf das Furchtbarste, was ihm begegnen könnte, gefaßt. Das ist die Frucht eines von ächter Religiosität und von der Begeisterung höheren Wissens durchwebten Lebens, — es ist der Baum an Wasserquellen, dessen Blätter nie welken, die Palme in der Wüste, unter der die Gemeinen der Erde Schatten suchen.
Jetzt wurden ihm der Herzog von SidoniaVermutlich Alonso Pérez de Guzmán y de Zúñiga, 7. Herzog von Medina Sidonia, ein spanischer Adliger und Militärführer. und der Pater Ximenes gemeldet. Er ging ihnen bis zur Schwelle seines Vorsaales entgegen, empfing sie mit aller Ehrfurcht und führte sie in sein Zimmer.
„Ihre Majestäten, unsere gnädigsten Monarchen," begann Ximenes, „lassen Euch ihren gnädigsten Gruß entbieten, Don Isaak. Es hat ihrer Weisheit gefallen, ein EdiktBezieht sich auf das Alhambra-Edikt vom 31. März 1492, mit dem Ferdinand und Isabella die Vertreibung aller Juden aus Spanien anordneten, die nicht zum Christentum konvertieren wollten. in Betreff der Juden, Eurer Glaubensgenossen, ergehen zu lassen, welches wir Euch, dem vielerprobten Diener des Königs, mittheilen sollen. Das Unglück, welches die neuen ChristenBezeichnung für zum Christentum konvertierte Juden (Conversos), die oft unter dem Verdacht standen, heimlich noch jüdische Praktiken auszuüben. durch Ketzerei bis jetzt über Spanien und die alten Juden verhängt haben, die Verlegenheiten, welche dem Staate durch die häufigen und fast nicht mehr zu hintertreibenden Auswanderungen der Maranno'sAuch "Marranen" genannt, waren zum Christentum konvertierte Juden und ihre Nachkommen in Spanien und Portugal, die oft heimlich ihre jüdischen Bräuche weiter praktizierten. erwachsen, hat die Könige bewogen, diesem Unheile mit einem Male ein Ende zu machen, und die Juden durch den Befehl der Auswanderung allen fernern Verfolgungen zu entziehen. Unsere gnädigsten Monarchen haben aber sämmtlichen jüdischen Unterthanen eine Frist von drei Monaten gestattet, sich zu dieser Reise vorzubereiten und ihre liegenden Gründe zu veräußern. Das heute über beide Königreiche ergangene Edikt wird Euch das Nähere sagen. Don Abarbanel, der König läßt Euch durch uns seine fortwährende Gnade versichern, Ihr seid von dieser nothwendigen Auswanderung ausgenommen und genießet des königlichen Schutzes, — aber man verlangt von Euch, zum Danke solcher Gnade, nur das Eine, Euch von allen Einmischungen in diese große Angelegenheit fern zu halten und alle Verbindungen mit den Marannen aufzugeben."
Abarbanel sah beide Botschafter eine Weile ruhig an. „Kann es mir vergönnt sein, meine Huldigungen vor den Thron der Monarchen zu bringen?" fragte er in einem Tone, als wenn ihn die zugesicherte Gnade mit Freuden erfüllte, und als wenn die Gleichgültigkeit, welche das Edikt in ihm ließ, schon seine Einwilligung zur Bedingung wäre. Ximenes stutzte, er zögerte mit der Antwort.
„Die Audienz soll Euch werden," bemerkte der Herzog, „ich stehe dafür; ich gehe zum Könige, sie soll Euch noch heute werden." Der Herzog entfernte sich.
„Ihr nehmet also," fragte Ximenes, „die Bedingung der königlichen Gnade an?"
„Ich muß erst meinen Dank in eigener Person dem Monarchen bringen und den Inhalt des Dekretes kennen lernen."
Auch Ximenes verabschiedete sich. Abarbanel las das Edikt durch. „Du hast es gegeben, du hast es genommen, dein Name sei gepriesen, Herr!" rief er mit zum Himmel gewandtem Blicke.